Zieste – Vergessene Heilpflanzen

Zieste – Vergessene Heilpflanzen

Ziest

Im Sommer leuchten einige besonders schöne Wildpflanzen an Wegrändern, im Wald, auf Wiesen, an Ufern und in Gebirgsregionen. Es handelt sich um Ziest-Arten, die im Gegensatz zu anderen Lippenblütlern weniger bekannt, aber wahre Augenweiden sind.

Auch heilkundlich verdienen Zieste viel mehr Beachtung als sie derzeit erfahren. Früher waren sie hochgeschätzte Heilpflanzen, worauf schon die englische Pflanzenbezeichnung „Woundwort“ (Wundkraut) hindeutet.

Wir möchten euch in diesem Beitrag den Wald-Ziest, den Heil-Ziest (auch Echter Ziest oder Echte Betonie), den Sumpf-Ziest und den Alpen-Ziest näher vorstellen. Das sind allerdings nur einige wenige von rund 300 bekannten Ziest-Arten!

Das Wort Ziest stammt angeblich aus dem Sorbischen cisty und bedeutet „rein, sauber“. Ebenso finden wir das Wort in anderen slawischen Sprachen mit derselben Bedeutung. Mit „sauber und rein“ war sowohl die Reinigung von negativen Energien wie auch die keimtötende Wirkung der beiden Pflanzen gemeint.

Zieste gehören innerhalb der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) großteils der Gattung Stachys an. Der Heil-Ziest (Betonica officinalis) wurde vor einiger Zeit der Gattung Betonica zugeordnet und tanzt ein wenig aus der Reihe. Die unterschiedlichen lateinischen Gattungsnamen verraten uns, dass der Heil-Ziest gar nicht so nahe mit den anderen Arten verwandt ist. Seine Inhaltsstoffe und Heilwirkung sind den anderen beschriebenen Arten allerdings durchaus ähnlich.

Botanische Merkmale von Ziesten:

Stängel: vierkantig, an der Spitze befinden sich in Scheinwirteln angeordnete zygomorphe Blüten
Blattstellung: kreuzgegenständig (charakteristisch für Lippenbütler)
Laubblätter: einfach aufgebaut und unterschiedlich gesägt oder gekerbt
Früchte: Nussfrüchte – Nach der Bestäubung durch Wildbienen fallen die zu einer Röhre verwachsenen Kronblätter ab, und innerhalb des grünen Kelches entwickeln sich vier kleine Nussfrüchte, die nach der Reife zerfallen (= Klausenfrucht). 

Die meisten Zieste, so auch die vier hier angegebenen, sind mehrjährige Pflanzen und bilden ein unterirdisches Rhizom (= unterirdische Sprossachse) aus. Über diese Ausläufer im Erdreich können sie durchaus größere Bestände bilden.

Inhaltsstoffe der Zieste:
ätherische Öle mit Mono-, Di- und Sesquiterpenen, Polyphenole, Phenolsäuren, Tannine, Gerbstoffe (z.B. Rosmarinsäure, Lithospermsäure), Chlorogensäure, Anthocyane, Iridoidglykoside (z.B. Harpagosid, Aucubin), Mehrfachzucker (Stachyose), Betaine (Stachydrin), Cholin, Bitterstoffe

Die breit-herzförmigen, gestielten Laubblätter des Wald-Ziests (Stachys sylvatica) erinnern mit ihren gezähnten Blatträndern an die Große Brennnessel. Im Gegensatz zur Brennnessel sind sie allerdings weich und fein behaart. Die purpurfarbenen Blüten besitzen eine charakteristische weiße Zeichnung und sind ab Juni zu bewundern. Ein Markenzeichen des Wald-Ziests ist sein etwas gewöhnungsbedürftiger Duft, den man wohl erst auf den zweiten Blick interessant findet. Er ist so gar nicht lieblich, doch wir finden, dass alleine das Riechen am Wald-Ziest schon beruhigend wirkt! Die bis zu 100 cm hohe Pflanze gedeiht meist in feuchten Laubwäldern, Auwäldern, Kahlschlägen und entlang von Waldwegen.

Der Heil-Ziest (Betonica officinalis) liebt im Gegensatz zum Wald-Ziest feuchte Magerwiesen und ist meist an sonnigen Standorten zu finden! Aus der grundständigen Blattrosette wachsen im Frühling mehrere maximal 70 cm hohe Stängel, an deren Spitze ab Juni purpur- bis rosafarbene Blüten in dichten Scheinähren eng aneinanderwachsen. Die Kronröhre besitzt im Vergleich zu anderen Ziest-Arten scheinbar keine Aderung. Die gestielten Laubblätter mit ihrer ovalen, gezähnten Blattfläche sind manchmal unterseits behaart. Die Echte Betonie verschwindet immer mehr, da auch ihre Lebensräume schwinden. Sie ist allerdings eine pflegeleichte Pflanze und passt gut in den Garten.

Der Sumpf-Ziest (Stachys palustris) wächst gerne im Uferbereich von Gewässern, Gräben und Auwäldern auf kalkarmen, verdichteten Böden mit hohen Tongehalten. Die nahezu geruchlose Pflanze verbreitet sich über unterirdische Ausläufer, die ab Herbst zwischen den Knoten (= Nodien) weiße, knollige Verdickungen aufweisen. In Bodennähe sind die lanzettlich zugespitzten Laubblätter kurz gestielt, am Stängel sind sie sitzend (ohne Blattstiel) angeordnet. Die Blattränder können gekerbt oder gezähnt sein. Der Sumpf-Ziest erreicht eine Wuchshöhe von etwa 50 bis 120 cm. Die rosa bis violetten Blüten an der Stängelspitze erscheinen von Juni bis September.

Im Gebirge trifft man auf kalkreichen Böden, in Kahlschlägen, lichten Wäldern, Hochstaudenfluren und Wegrändern mit etwas Glück den Alpen-Ziest (Stachys alpina) an. Er erreicht eine Wuchshöhe von 40 – 100 cm. An seinem vierkantigen Stängel befinden sich besonders im oberen Bereich abstehende Drüsenhaare (siehe Foto!). Die gestielten Laubblätter mit gezähnten Blatträndern besitzen anliegende, kurze Haare. Die hübschen blassrosa bis violetten Blüten erscheinen ab Ende Juni.

Interessantes zu Inhaltsstoffen und Volksheilkunde:

Zieste werden vor allem volksmedizinisch genutzt, arzneilich werden sie bislang unseres Wissens kaum verwendet. Die interessanten Inhaltsstoffe der Zieste lassen aber auf ihre interessanten Heileigenschaften schließen.

Sie enthalten beispielsweise ätherische Öle, deren genaue Zusammensetzung nur bei einigen wenigen Arten bekannt ist. Je nach Ziest-Art dominieren andere ätherische Öle, wie z.B. die Monotherpene beim Wald-Ziest.
Daraus können etwas unterschiedliche, aber doch ähnliche Einsatzgebiete der hier beschriebenen Arten abgeleitet werden. Die ätherischen Öle sind unter anderem für die keimtötende, beruhigende und schmerzstillende Wirkung von Ziesten verantwortlich.

Ebenso beinhalten Zieste das für seine herzstärkende Wirkung bekannte Stachydrin. Auch Lithospermsäure ist in Ziesten zu finden, die heilkundlich bei leichter Schilddrüsenüberfunktion, gesteigerter Nervosität und Prämenstruellem Syndrom zum Einsatz kommt. Rosmarinsäure und Kaffeesäure wirken antiviral, zweitere auch krebsabweisend. Das zumindest im Heil-Ziest enthaltene Cholin kann die Gehirnleistung stärken. Enthaltene Gerbstoffe – bis zu 15 % in Ziesten! – wirken leberschützend, zusammenziehend und wundheilend. Weiters sind Iridoidglykoside, Anthocyane und viele weitere wichtige Inhaltsstoffe zu nennen.

In der Volksmedizin werden Zieste nun seit vielen Jahrhunderten zur Stärkung der Nerven, bei Schlaflosigkeit, Reizbarkeit und Ängsten verabreicht. Auch bei Zerstreutheit und zu vielen flüchtigen Gedanken soll ein Tässchen Tee unsere Konzentration auf Wesentliches stärken und uns mehr in uns ruhen lassen. Zieste helfen uns dabei, zu entspannen und können auch bei Kopfschmerzen und Migräne hilfreich sein. Sie sind ein guter Begleiter durch stressige Zeiten und wirken ebenso beruhigend auf den Magen.

Auszüge wurden früher auch zur Wundheilung (hier auch als Pulver!), bei Asthma, hohem Blutdruck, Kreislauf- und Verdauungsstörungen verwendet. Ebenso können eine zu starke Menstruationsblutung und andere Blutungen durch eine Kur vor allem mit dem Wald-Ziest oder der Echten Betonie gelindert werden. Der Sumpf-Ziest wird seit alters her als Hausmittel gegen Rheuma und Arthritis verwendet.

Zum Ausprobieren kann eine Tasse als Aufguss zubereiteter Tee abends vor dem Schlafengehen getrunken werden. Auch eine dreiwöchige Kur mit dem Tee oder der Tinktur ist empfehlenswert, wobei die beiden gerbstoffreichen Pflanzen etwas stopfend wirken können.

Blätter und Blüten der verschiedenen Ziest-Arten werden zur Blütezeit gesammelt und getrocknet bzw. verarbeitet.

Gerne mischen wir vor allem Wald- und Heil-Ziest in eine feine Tinktur, die unser Nervenkostüm und unsere hormonelle Ausgeglichenheit fördern kann und insgesamt stärkend und beruhigend wirkt.

  • Tropfen für ein ausgeglichenes Gemüt:   
             
    – 10 g frische Zitronenmelisseblätter, vor der Blüte gesammelt
    – 10 g frische Schwarze Johannisbeeren (wichtig: mit den kleinen Samen im Fruchtfleisch – diese enthalten hormonell ausgleichende Linolensäure!)
    – 10 g frische Rosenblätter
    – 10 g Heil-Ziest oder/und Wald-Ziest, blühendes Kraut
    – 100 ml Ansatzkorn 40%
    Bei Verwendung getrockneter Pflanzenteile reicht die Hälfte der Menge des Pflanzenmaterials.

    – Die frischen Pflanzen klein schneiden (getrocknete Pflanzenteile mit den Händen zerreiben) und in eine Glasflasche mit breiter Öffnung füllen, mit dem Alkohol übergießen, die Flasche gut verschließen, an einen warmen, hellen Ort stellen (nicht in die pralle Sonne) und täglich schwenken.
    – Nach zwei bis drei Wochen wird die Tinktur durch ein sauberes Tuch abgeseiht. Die Pflanzenrückstände lässt man abtropfen bzw. drückt sie gut aus.
    – Danach können noch mit einem Papierfilter Schwebstoffe entfernt und die Tinktur in dunkle Glasfläschchen gefüllt werden.
    – Einnahme: Über einen Zeitraum von 4 Wochen 3 x täglich 10 Tropfen einnehmen.
    Die Tropfen können auch nur abends eine Stunde vor dem Einschlafen ausprobiert werden.

Kulinarische Verwendung: Wir verwenden verschiedene Ziest-Arten vor allem volksheilkundlich. Die knollig verdickten Rhizome des Sumpf-Ziests können allerdings ab September gekocht als Wildgemüse gegessen oder getrocknet zu Streckmehl verarbeitet werden. Die schönen Blüten der Zieste zieren öfter eine Speise zur Dekoration. Manche Menschen mögen den herben Duft des Wald-Ziests und verarbeiten auch seine Blätter und Rhizome – es kann alles ausprobiert werden, was schmeckt :).

Interessante Literatur:

Bäumler, Siegfried: Heilpflanzenpraxis heute – Arzneipflanzenporträts. 
3. Aufl., München: Elsevier, 2021.
Bilušić, Vundać V.: Taxonomical and Phytochemical Characterisation of 10 Stachys Taxa Recorded in the Balkan Peninsula Flora: A Review. In: Plants (Basel). 2019 Jan 29; 8(2).
Fleischhauer, Steffen G., Guthmann, J. u. R. Spiegelberger: Enzyklopädie Essbare Pflanzen. 2000 Pflanzen Mitteleuropas. Bestimmung, Sammeltipps, Inhaltsstoffe, Heilwirkung, Verwendung in der Küche. 3. Aufl., Aarau: AT Verlag, 2016.
Huber, Ellen: Pflanzenschätze der Ahnen. Alte Heilkunst und aktuelle Forschung. Linz: Freya, 2017.
Madejsky, Margret: Lexikon der Frauenkräuter. Inhaltsstoffe, Wirkungen und Anwendungen, 6. Aufl., Aarau: AT Verlag, 2017.

2 Antworten zu “Zieste – Vergessene Heilpflanzen”

  1. Dankeschön 🤩 eine ganz tolle Beschreibung, für mich sehr interessant, habe die Pflanze erst letzte Woche bei einer Wanderung gesehen und hat mir so gut gefallen! Wieder etwas gelernt…
    Liebe Grüße

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