Die Kohldistel – Feines Wildgemüse

Die Kohldistel – Feines Wildgemüse

Kohl-Kratzdistel


Der Spätsommer ist hierzulande mittlerweile oft die schwierigste Jahreszeit für die Kräuterernte. Trotzdem finden wir auch in dieser Zeit sehr verlässliche Wildpflanzen, die uns sogar bei großer Hitze in größeren Mengen zur Verfügung stehen. Eine davon ist die Kohl-Kratzdistel (Cirsium oleraceum), oft auch unter dem Namen „Kohldistel“ bekannt, die wir aufgrund ihrer vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten besonders gerne verarbeiten. Ende August und den ganzen September ist sie das grünste Wildgemüse, dass wir finden können. Schon ihr Name „oleraceum“ (= „kohlartig“) deutet auf die kulinarische Verwendung der Pflanze hin.

Die Kohldistel ist ein besonderes kulinarisches Highlight. Wenige Wildpflanzen können so vielseitig und kreativ genützt werden – schade nur, dass sie kulinarisch so vernachlässigt wird und sich ihre Erwähnung in Kochbüchern meist auf die Beigabe zu Spaghetti-Saucen erschöpft. Wobei, einige Haubenköche haben sie längst entdeckt – also könnten auch wir die durchaus häufige Pflanze in unseren Speiseplan einbauen.

Einige botanische Merkmale zur Kohldistel:

Pflanzenfamilie: Korbblütler
Standort: Wir finden die Kohldistel vom Tiefland bis in ca. 2000 Seehöhe vor allem in feuchten Wiesen, frischen Laub- und Auwäldern, entlang von halbschattigen Waldwegen und feuchten Staudenfluren. Als Nässezeiger gedeiht sie auch entlang von Gewässern und in Quellgebieten. Sie liebt stark gedüngten Böden und bildet oft größere, zusammenhängende Bestände.
Blätter und Stängel: Im Gegensatz zu anderen Kratzdistel-Arten bildet die Kohldistel keine spitzen Dornen aus. Ihre weichen Blätter sind nur an den Rändern mit feinen Dornen besetzt. Die jungen, meist ungeteilten Blätter erscheinen ab Frühling in Blattrosetten. Mit Fortdauer des Jahres bildet die Pflanze immer mehr geteilte Blätter. Auf dem Weg zur Blütezeit wachsen pro Pflanze ein oder mehrere Stängel mit schraubig gestellten Blättern bis zu 1,5 Metern in die Höhe. Die Blätter am Stängel sind stiellos, in Bodennähe aber immer gestielt.

Blüten und Blütezeit: Die Kohldistel blüht von Juni bis September mit auffallend blassgelben Blütenkörben.
Früchte: Die Samen (Früchte) erscheinen ab Ende August.
Unterirdisch besitzt die mehrjährige Pflanze ein aus vielen kleinen, etwas verdickten, dicht zusammenstehenden Abschnitten bestehendes Rhizom (= Wurzelstock), das leicht mit einer kleinen Schaufel ohne viel Aufwand ausgegraben werden kann.

Verwendete Pflanzenteile:
Blätter, Triebe, Blüten, Wurzeln, Samen
Sammelzeit: Blätter: April bis Ende September
Blütenknospen und Blüten: Juli bis September
Rhizom: September bis März

Inhaltsstoffe: Gerbstoffe, Alkaloide, ätherisches Öl, Chlorophyll, Flavonoide, Inulin in den Wurzeln

Zur kulinarischen Verwendung der Kohldistel:

Die weichen, großen Blätter der Kohldistel stechen kaum. Sie ergeben einen feinen Wildspinat und passen auch gut in grüne Suppen. Junge Blätter schmecken dabei angenehm mild bis nussig. Große, ältere Blätter können einen leicht herben Beigeschmack besitzen. Blanchiert und püriert färben sie jede Speise satt grün: egal, ob Brotteig, Pfannkuchen oder auch Süßspeisen wie Eis.

Kurz überbrüht eignen sich Kohldistelblätter perfekt zum Umhüllen von Füllungen in Form von Päckchen oder Rouladen. Sehr junge Blätter können im späten Frühjahr auch roh gegessen werden.
Kohldistelblätter können so lange verwendet werden, so lange sie zart sind – das ist meist bis Ende September möglich. Wir kochen vor allem im Spätsommer und frühen Herbst sehr häufig mit der Kohldistel, weshalb wir schon eine stattliche Rezeptsammlung besitzen. Vielleicht probiert ihr einmal unsere Frühlingsrollen von der Kohldistel, oder unser Kohldistel-Eis

Besonders interessant sind auch die noch geschlossenen Blütenknospen, die süß-sauer eingelegt, ähnlich wie Artischocken schmecken. Die kleinen Blütenböden gelten als besondere Delikatesse – Es ist allerdings schwierig, davon eine ausreichende Menge zu erhalten. Die blassgelben Blüten der Pflanze eignen sich als hübsche essbare Dekoration.
Blütenknospen, Blüten und Blätter eignen sich außerdem sehr gut zur Käseherstellung, da sie Milch gerinnen lassen. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Rezept zur Herstellung von Kohldistel-Frischkäse.

Unter der Erde bietet uns die Kohldistel ein schmackhaftes Rhizom, das wir landläufig meist als „Wurzel“ bezeichnen. Es schmeckt aus unserer Erfahrung ähnlich der Klettenwurzel, ist aber viel leichter aus der Erde zu holen, da es aus vielen zarten Wurzeln bzw. Sprossachsen besteht. Klein geschnitten und geröstet oder gebraten passt es gut in Frühlingsrollen oder Wokgerichte.
Getrocknet und gemahlen wurde es früher angeblich auch als Streckmehl verwendet.

Volksmedizinisch ist die Kohldistel heute kaum bekannt, jedoch wird sie schon in der Kräuterliteratur der frühen Neuzeit beschrieben, so zum Beispiel im „Plantarum seu stirpium historia“ des französischen Botanikers und Arztes Matthias de l’Obel aus dem Jahr 1576. Wie auch andere Distel-Arten der Gattung „Cirsium“ besitzt die Kohldistel keimtötende Inhaltsstoffe. Früher wurde sie in Form von Teeauszügen bei Magen- und Darmbeschwerden eingesetzt, da man ihr entzündungshemmende, krampflösende Wirkung zuschreibt.

Auch bei Rheuma und Gicht sowie bei Zahnschmerzen war die Kohldistel innerlich wie äußerlich eine angeblich durchaus häufig verwendete Pflanze. Wir sind uns sicher, dass auch heilkundlich noch einiges Potential in der Kohldistel steckt. Sie regelmäßig in der Küche zu verarbeiten kann also nicht schaden.

Interessante Literatur zum Thema:
– L’Obelde, Matthias De; Pena, Pierre: Plantarum Seu Stirpium Historia: Cui Annexum Est Adversariorum Volumen. Antverpiae: ex officina Christophori Plantini, 1576. S. 371.
– Huber, Ellen: Pflanzenschätze der Ahnen. Alte Heilkunst und aktuelle Forschung. Linz: Freya 2017.

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